In letzter Zeit denke ich oft darüber nach, wie oft ich im Alltag mit meinen Kindern „Nein“ sage. Es ist, als würde dieses kleine Wort an Bedeutung verlieren, je öfter ich es ausspreche. Ich muss Sätze oft wiederholen, bis sie bei den Kindern ankommen – und manchmal werden sie trotzdem nicht akzeptiert. Es ist dann, als hätte mein „Nein“ keine Kraft mehr.
Ehrlich gesagt, hat das dazu geführt, dass ich mein eigenes Verhalten hinterfrage. Warum sage ich so oft „Nein“? Und noch wichtiger: Wie sage ich es? Mir ist aufgefallen, dass ein „Nein“ für Kinder oft Abgrenzung, Trennung und Ablehnung bedeutet. Aber das muss es nicht. Und das ist ein Punkt, der mir immer wichtiger wird.
Das „Nein“ positiv formulieren
Ein Beispiel aus dem Alltag einer Mama, die mich kürzlich angeschrieben hat: Eines ihrer Kinder wollte unbedingt Gummibärchen – genau in dem Moment, als es müde war und sie wusste, dass der Schlaf dringend nötig war. Ihr erster Reflex war ein deutliches „Nein, erst nach dem Schläfchen.“ Die Tränen waren vorprogrammiert. Der Frust war groß, was auch mit der Müdigkeit zusammenhing. Dann fiel ihr ein: Warum nicht mal anders versuchen? Also sagte sie: „Ja, du bekommst welche, nachdem du geschlafen hast.“ Zu ihrer Überraschung funktionierte es – das Kind grinste sie an, drehte sich um und schlief ein. Sie war verblüfft, wie dieser kleine Perspektivwechsel alles veränderte.
Das „Nein“ im freien Spiel
Aber es gibt auch Momente, in denen es nicht so einfach ist, das „Nein“ in eine positive Richtung zu lenken – besonders im freien Spielalltag, wo es weniger klar ist, was richtig oder falsch ist. Eine Situation, die mich länger beschäftigt hat, spielte sich so ab: Zwei Kinder spielten friedlich im Sandkasten. Eines baute mit dem Bagger einen großen Hügel, während das andere Kind begeistert mitmachte. Alles schien harmonisch. Doch dann wollte das eine Kind plötzlich mit voller Kraft die Sandschaufel aus der Hand des anderen reißen, um „seinen“ Hügel alleine fertigzustellen. Sofort begann das andere zu weinen und hielt die Schaufel fest.
Mein erster Impuls war, sofort ein „Nein, du darfst das nicht wegnehmen!“ zu rufen. Ich spürte, dass ich den Konflikt schnell lösen wollte. Aber ich hielt inne, weil mir bewusst wurde: Wenn ich nur ein „Nein“ rufe, wird es wie eine unsichtbare Mauer zwischen uns allen. Jeder würde sich schlecht fühlen – das eine Kind, weil ich es mit meinem „Nein“ zurückweise, und das andere, weil es in dem Moment nicht wirklich verstanden hat, warum der Bruder oder die Schwester so reagiert hat.
Verbindung statt Trennung
Also habe ich tief durchgeatmet und bin stattdessen zu ihnen gegangen. Ich habe mich zu dem Kind, das die Schaufel wegnehmen wollte, hinuntergebeugt und ruhig gesagt: „Ich sehe, dass du wütend bist, weil du den Hügel alleine fertigstellen möchtest. Du möchtest, dass es perfekt wird, richtig?“ Das Kind schaute mich an, immer noch verärgert, aber es hörte zu. „Und ich sehe, dass du die Schaufel genommen hast, weil du dachtest, das wäre der beste Weg. Aber das andere Kind möchte mitmachen und seinen Teil beitragen. Wie können wir das jetzt gemeinsam lösen?“
Diese Frage zu stellen, anstatt nur ein „Nein“ in den Raum zu werfen, öffnete den Raum für einen Dialog. Plötzlich ging es nicht mehr darum, wer Recht hat und wer sich durchsetzt. Es ging darum, wie wir zusammen einen Weg finden können, der die Bedürfnisse beider Kinder respektiert. Ich fragte das Kind, ob es möglich wäre, dass das andere Kind einen anderen Teil des Hügels bearbeitet, während es seinen „wichtigen“ Abschnitt zu Ende bringt. Nach kurzem Überlegen stimmte es zu – und das Lächeln der beiden Kinder sprach Bände.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ein „Nein“ nicht das Ende der Kommunikation sein muss. Es kann der Anfang einer gemeinsamen Lösung sein. Natürlich gibt es Situationen, in denen mein „Nein“ einfach stehen muss – aus Gründen der Sicherheit oder wenn es um meine eigenen Grenzen geht. Ich lasse mich zum Beispiel nicht an den Haaren ziehen, nur weil ein Kind das gerade lustig findet. In solchen Momenten setze ich mein „Nein“ durch, mit allem Nachdruck, aber immer liebevoll und bestimmt.
Aber die Situation mit der Schaufel hat mir gezeigt, dass es oft einen anderen Weg gibt. Einen Weg, der nicht auf Trennung und Ablehnung basiert, sondern auf Verbindung und Verständnis. Ich möchte, dass mein „Nein“ nicht als harte Mauer empfunden wird, sondern als Brücke, die den Weg zu einer Lösung ebnet. Denn ich glaube daran, dass wir auch nach einem „Nein“ gemeinsam einen Weg finden können – einen Weg, der uns verbindet, anstatt uns auseinanderzubringen.
Immer wieder höre ich: „Die Kinder heutzutage hören gar kein ‚Nein‘ mehr!“ Doch das tun sie, sehr oft sogar. Die Frage ist doch vielmehr, was nach dem „Nein“ kommt. Bleibt es bei einem harten Stopp? Oder öffne ich die Tür für einen Dialog, für eine gemeinsame Lösung?
Das „Nein“ als Chance
Für mich ist klar geworden: Ein „Nein“ muss keine endgültige Trennung bedeuten. Es kann der Beginn von etwas Neuem sein – eine Chance, uns zu verbinden und zusammen einen Weg zu finden, der sowohl meine Grenzen als auch die Bedürfnisse der Kinder respektiert. Und das ist es, was ich mir für meinen Alltag und den Alltag der Mamas um mich herum wünsche: weniger Gegeneinander und mehr Miteinander, auch wenn ein „Nein“ im Raum steht.
Ich glaube, dass wir alle – Kinder wie Eltern – davon profitieren, wenn wir lernen, mit diesem Wort liebevoller umzugehen.
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